The Challenge: Weniger manueller Aufwand bei der Antragsdatenerfassung
Wie viele aus der Praxis wissen, zählt die Beantragung von Finanzierungen bei einer Bank zu den dokumentenintensivsten Prozessen überhaupt. Es müssen zahlreiche Unterlagen aus unterschiedlichen Quellen, häufig in Papierform, teils mit handschriftlichen Ergänzungen und Unterschriften, eingescannt, gesichtet und manuell verarbeitet werden. Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter übernehmen die Klassifizierung, prüfen die Inhalte und übertragen relevante Daten in verschiedenste Fachsysteme. Dies ist eine aufwändige Arbeit, die Zeit kostet und anfällig für Fehler ist.
Die Folge: Kundinnen und Kunden müssen warten und bei Fehlern entsteht zusätzlicher Aufwand. Gleichzeitig ist die Anzahl der bearbeitbaren Anträge direkt von den verfügbaren personellen Kapazitäten abhängig.
Beim „adesso Digital Day 2025” am 9. Juli 2025 in Düsseldorf präsentierten Prof. Dr. Jürgen Angele (br.AI.n., adesso SE, links auf dem Foto unten) und Jan Hendrik Hoffmann (Investitionsbank Schleswig-Holstein, IB.SH, rechts) eine innovative Lösung für genau diese Herausforderung.

Der manuelle Standardprozess umfasste die Sichtung, Klassifizierung und Extraktion relevanter Informationen aus verschiedensten Dokumenttypen wie:
Die Daten waren teilweise handschriftlich ergänzt oder kommentiert. Am Ende mussten die Daten manuell in das SAP-System der IB.SH übertragen werden. Das Ziel: diesen gesamten Prozess weitgehend zu automatisieren, um die Bearbeitungszeit drastisch zu reduzieren.

>>Anträge verarbeiten ist immer noch hauptsächlich manuell.<<

Warum br.AI.n: Plattform statt individueller KI-Insellösungen
Im Projekt mit der IB.SH fiel die Entscheidung bewusst zugunsten der KI-Plattform br.AI.n von adesso SE, da individuell entwickelte KI-Strecken oft aufwendig in Aufbau, Integration und Skalierung sind. Fehlende Interoperabilität zwischen Komponenten, fragmentierte Systemlandschaften und ein hoher Wartungsaufwand führen schnell zu technischen und organisatorischen Grenzen, besonders bei sicherheits- und compliancekritischen Prozessen wie der Fördermittelvergabe.

br.AI.n bot hierfür eine robuste, workflowbasierte Java-Plattform mit Standardkonnektoren zu Drittsystemen, einem eingebetteten semantischen Knowledge Graph und pixelbasierter Dokumentenverarbeitung. Damit ließ sich die Antragsprüfung nicht nur automatisieren, sondern auch strukturiert überwachen, weiterentwickeln und absichern. Gleichzeitig blieb die Lösung flexibel im Umgang mit Sprache, Layout und Bildinformationen.

Allerdings zeigte sich im Projektverlauf, dass die Low-Code-Funktionen der Plattform allein nicht ausreichten, um die Anforderungen vollständig abzudecken. Das Projektteam entschied sich bewusst gegen ein aufwendiges Training von KI-Modellen für alle Varianten finanzbezogener Dokumente. Stattdessen wurde ein hybrider Ansatz gewählt: Die Dokumente wurden mithilfe von LLM-basierter Analyse interpretiert, anschließend griffen programmierte Regeln und mehrstufige Prozessautomatisierung. Dieses Zusammenspiel erlaubte eine präzisere Steuerung der Verarbeitung und lieferte am Ende die notwendige Zuverlässigkeit im Produktivbetrieb.
Workflows: All Eyes on the Signature
Im Projekt stand nicht das aufwendige Modelltraining, sondern die Ausgestaltung eines mehrstufigen Workflows im Mittelpunkt. Mithilfe des BPMN-2.0-kompatiblen Design-Tools der Plattform wurde die gesamte Verarbeitung modelliert. Dabei entsprach jeder Schritt im Diagramm einem ausführbaren Baustein. Dies konnte klassischer Code, eine angebundene Anwendung oder eine KI-Komponente sein, jeweils eingebettet in eine regelbasierte Prozesslogik.
Eine besonders knifflige Herausforderung betraf die Unterschriften. Diese mussten zuverlässig vom restlichen Dokument getrennt und separat analysiert werden. Laut den Vortragenden war dies eine der größten Hürden im Projekt. Die Lösung bestand in einem regelbasierten Teilprozess, der zunächst die Koordinaten der Unterschrift im Dokument ermittelte, sie ausschneidete und an die nächste Prozesskomponente zur Auswertung übergab.
Durch diese modulare und visuell modellierte Architektur ließ sich die Verarbeitung flexibel steuern und zugleich gut nachvollziehen. Dies war besonders relevant bei Antragsprozessen mit stark variierenden Dokumentstrukturen.

Der restliche Ablauf folgte einem bewährten Muster für KI-basierte Systeme zur Verarbeitung unstrukturierter Daten. Nach der Klassifikation nutzte das eingesetzte LLM vordefinierte Datenmodelle für jeden Dokumenttyp, um die jeweils relevanten Inhalte feldgenau zu extrahieren. Die strukturierten Ergebnisse wurden anschließend asynchron in das SAP-System der IB.SH übertragen, wo eine finale Validierung stattfand.
Die erzielte Genauigkeit lag bei 94 Prozent. Das bedeutet: Nur etwa sechs Prozent der Dokumente erforderten noch manuelle Nacharbeit. Für die IB.SH ist das nicht nur ein beachtlicher Effizienzgewinn, sondern ein echter Schritt in Richtung durchgängig digitalisierter Antragsverarbeitung.

Data Handling: Zwischen Extraction und Berechnung
Einige Dokumenttypen, wie die DATEV-Lohnsteuerbescheinigung, folgen einem standardisierten Aufbau und lassen sich daher relativ zuverlässig auslesen. Andere, wie etwa Gehalts- oder Eigenkapitalnachweise, variieren stark und erscheinen häufig in unternehmensspezifischen Formaten. Dennoch zeigte sich, dass moderne, generalistische Sprachmodelle auch aus solchen Varianten die benötigten Standarddaten mit ausreichender Verlässlichkeit extrahieren können.

Eine Aussage der Vortragenden war besonders interessant. Demnach wurden bestimmte Berechnungen direkt mit KI durchgeführt. Damit waren vermutlich Aggregationen sowie die Ableitung von Differenzen oder Durchschnittswerten über mehrere Dokumente hinweg gemeint. Aus eigener Erfahrung mit der Plattform würde ich das jedoch differenzierter einschätzen. Wahrscheinlicher ist, dass die KI verwendet wurde, um Werte zu extrahieren und diesen anschließend spezifische Objekt- oder Array-Felder zuzuordnen. Die eigentliche Logik, etwa Schleifen oder mathematische Berechnungen, wurde vermutlich klassisch regelbasiert umgesetzt. Wie genau das im konkreten Fall gelöst wurde, werde ich bei nächster Gelegenheit direkt bei den Kollegen erfragen.

Zusammenarbeit zählt: Plattform unterstützt, aber Menschen gestalten
Die Lösung befindet sich aktuell in der finalen Testphase vor dem geplanten Produktivstart. Wie so oft hängt der Erfolg vor allem von der engen Zusammenarbeit zwischen der Fachabteilung des Kunden und einem erfahrenen IT-Team ab. Entscheidend ist dabei nicht nur technisches Know-how und Tool-Kompetenz, sondern auch die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Gerade im konservativen Umfeld von Banken und im sensiblen Bereich des Datenmanagements ist das keine Selbstverständlichkeit.
Im Fall der IB.SH war genau diese Offenheit vorhanden. Die Wahl einer standardisierten KI-Plattform spielte dabei eine wichtige Rolle. Sie bot nicht nur technische Flexibilität, sondern auch die notwendige Verlässlichkeit und Compliance-Grundlage, um eine tragfähige Lösung zu entwickeln.

Zum Abschluss noch ein paar Eindrücke vom Event. Auf dem folgenden Foto ist Tim König, Head of Generative AI bei adesso SE, zu sehen. Er moderierte beim Digital Day den Track „Innovation & KI“ und unterstützte Jürgen Angele und Jan Hendrik Hoffman am Ende ihres Vortrags.

Und hier sehen wir Tim Bunkus, Solution Manager GenAI bei adesso SE, am adesso-Stand. Gezeigt wird dort die br.AI.n Plattform mit dem Prozess-Designer-Studio, zu sehen ist ein beispielhafter BPMN-Workflow.

Ein gemeinsamer Schritt nach vorn für br.AI.n, evia und adesso
Der Digital Day markierte einen wichtigen Meilenstein für die Plattform br.AI.n und für beide beteiligten Unternehmen, evia und adesso. Zum einen wurde der offizielle Public Go-live der Plattform verkündet. Bis dahin war br.AI.n ausschließlich in Kundenprojekten von adesso SE im Einsatz. Gleichzeitig wurde die evia Gruppe als erster und bislang einziger Distributions- und Integrationspartner der Plattform vorgestellt.
Das bedeutet konkret: besser gemeinsam. Während sich das br.AI.n Kernteam auf die Weiterentwicklung, Optimierung und den Support der Plattform konzentriert, übernehmen die Expertinnen und Experten der evia Gruppe die Umsetzung moderner KI-Projekte für unsere gemeinsamen Kunden. Dazu gehören auch Beratung, Managed Services sowie Deployment und Hosting, sowohl on-premises als auch in allen gängigen Cloud-Umgebungen, einschließlich souveräner Cloud-Angebote in Deutschland.

Möchten Sie unverbindlich besprechen, wie auch Ihr KI-gestützter Use Case den schnellsten, sichersten und effizientesten Weg in die Produktion findet? Mit br.AI.n und der kombinierten Erfahrung von evia und adesso? Dann folgen Sie dem Link unten zur Plattformseite und unserem Kontaktformular. Ich melde mich umgehend bei Ihnen.
